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Digitale Konzepte gegen den Fachkräftemangel

30.09.2018

Podium auf dem CGM Kongress

Am 26. und 27. September 2018 hatte die CGM zu den Anwendertagen nach Berlin eingeladen. Die CGM – CompuGroup Medical SE ist ein börsennotiertes Softwareunternehmen mit Sitz in Koblenz. Es produziert Anwendungssoftware zur Unterstützung ärztlicher und organisatorischer Tätigkeiten in Arztpraxen, Apotheken, medizinischen Laboratorien und Krankenhäusern. Das Unternehmen beschäftigte 2017 rund 4.600 Mitarbeiter und hat nach eigenen Angaben über 1 Million Nutzer mit Produkten in 55 Ländern.
Die Veranstaltung richtete sich an die Zielgruppe SoftwareanwenderInnen in Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsunternehmen. In diesem Jahr waren wir zum ersten Mal als Recruiting Experten und Personalberater im Gesundheitswesen  mit dabei. Interessant für uns war, dass das Thema Fachkräftemangel inzwischen auch im IT Bereich von so hoher Relevanz ist, dass es sich sogar im Titel der Podiumsdiskussion wiederfand:

Fachkräftemangel und ländliche Versorgung – Digitalisierung als Selbstzweck oder Lösungsangebot
Unter der Leitung von Michael Franz, CGM (Head of Brand Communication) diskutierten Thomas Simon, CGM Clinical Deutschland GmbH (Geschäftsführer), Dr. Joachim Abrolat Klinik an der Weißenburg GmbH (Verwaltungsdirektor), Dr. Hannes Kenngott Universitätsklinikum Heidelberg, Falk Erzgräber Charité Berlin und Ulrike Röse-Maier, Media Consult Maier + Partner GmbH (Geschäftsführerin) darüber, inwieweit die Digitalisierung Lösungsangebote zum Fachkräftemängel geben kann.

Grundsätzlich wurden folgende Anwendungsebenen benannt:

  • Recruitingprozesse: bringen durch digitale Anwendungen mehr Rückläufe qualifizierter Kandidaten/Innen
  • Effizienz: administrative Prozesse in der Personalverwaltung werden durch Digitalisierung verschlankt
  • Arbeitsumgebung: digitalisierte Prozesse können die Arbeitszufriedenheit verbessern

Insbesondere den ersten Punkt konnten wir mit unseren Erfahrungen aus dem Recruiting bestätigen. Die Ausschreibungspraxis hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Heute ist es wichtig, Kandidaten/Innen mit attraktiven Jobangeboten an einem Ort und zu einem Zeitpunkt zu erreichen, an dem sie aufnahmebereit sind und sich nicht zugespammt fühlen. Jeder kennt die lästige Werbung, die überall und ständig aufpoppt nur weil man irgendwann einmal einen bestimmten Flug nach irgendwo gebucht hat. Diese Art der (Job-) Werbung erzeugt eher Ärger und wird ganz schnell mit Adblockern verbannt. Des Weiteren müssen Channel mobiltauglich sein, denn wir haben es im Medizin und Pflegebereich mit Zielgruppen zu tun, die sehr viel über mobile Devices kommunizieren weil sie eben nicht den ganzen Tag am PC sitzen. Auch muss man potentiellen BewerberInnen heute soweit entgegenkommen, dass sie a) mit einem click direkt auf dem vollständigen und aussagekrägftigen Jobangebot landen “one click jobs” und b) sich unkompliziert und ebenfalls mit wenigen clicks bewerben können. Ein Beispiel aus der Praxis ist unsere medi.career-WebApp, die all diese Bedingungen erfüllt.

Digitalisierung als Lösung für den Fachkräftemangel?
Ob sich der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen generell mit “Digitalisierung” beheben lässt, bleibt dahingestellt. In einem Bereich, der sehr personalintensiv ist, dürfte das schwierig sein. Digitale Anwendungen erleichtern zwar in vielen Betrieben die Arbeit in der Verwaltung, auf der Station, im OP und im Labor. Es gibt inzwischen weltweit und auch in Deutschland Modellprojekte, in denen Roboter Aufgaben in der Pflege übernehmen. Allem voran sei hier der Pflegeroboter “Robear” aus Japan genannt oder die Roboter-Robbe, die bei der Arbeit mit demenzkranken Patienten eingesetzt wird. Aber abgesehen vom ethischen Aspekt, der die Frage aufwirft ob wir die pflegebedürftige und alte Menschen zukünftig in die Obhut von Robotern geben wollen, werden dies Einzellösungen bleiben, die den pflegenden und heilenden Mensch niemals ganz ersetzen können. Die Gesundheitsbranche ist daher auch am wenigsten von der “Digital Disruption” betroffen, die in anderen Wirtschaftszweigen jede Menge Jobs gekostet hat. Arbeitsplätze dürften hier auf lange Sicht sicher sein, denn  immerhin werden über 60% der Wertschöpfung in Kliniken und Pflegebetrieben mit dem so genannten Humankapital erwirtschaftet – hier zählt der Faktor Mensch.

Eine weitere Herausforderung, die man auch nur bedingt mit Digitalisierung meistern kann, sind die veränderten Ansprüche der Millenials, der Generation y und z an die Arbeitswelt. Die 1995 geborene Generation, die sich jetzt für die ersten Jobs warmläuft oder bereits in der Berufstätigkeit befindet, ist mit digitalen Medien aufgewachsen. Die Nachwuchskräfte haben wenig Verständnis dafür, dass es Arbeitsplätze ohne funktionierendes WLAN gibt. Sie sind daran gewöhnt, zeitlich uneingeschränkt Zugriff auf soziale Netzwerke und Kommunikationschannel zu haben. Diese Generation, für die eine sinnvolle und wertorientierte Arbeit höchste Priorität hat, trifft im Gesundheitswesen oft auf ein starres, von historischen Verwaltungsstrukturen geprägtes Umfeld. Wenn dann auch noch WLAN nicht funktioniert oder der Internetzugang aus Sicherheitsgründen verwehrt wird, ist der Frust vorprogrammiert.

Der mündige Patient, Big Data und der Hang zur Convenience
Johannes Kenngott (Uni Heidelberg) wartete mit einem Beispiel aus der Praxis auf: ein Patient, den er mit einer tödlichen onkologischen Diagnose konfrontierte, habe ihn kurz darauf über ein interessantes Forschungsprojekt in den USA informiert, das sich speziell mit seinem Krankheitsbild befasst und dort gute Erfolge mit neuen Therapiemethoden erzielt habe. Während es früher üblich war, dass Patienten sich schicksalsergeben in das Urteil des Arztes fügten, fragte dieser Patient, ob er nicht an dem Programm in den USA teilnehmen könne. Das Beispiel zeigt, dass die Digitaliiserung – hier der uneingeschränkte Zugang zu globalen Informationen – inzwischen dazu geführt hat, dass Patienten sich als Partner des Arztes auf Augenhöhe verstehen und auch so gesehen werden wollen. Hier sind kommunikative Kompetenzen seitens der Ärzteschaft gefragt, die in der jüngeren Generation sicherlich schon so gelebt werden, in Einzelfällen aber in Führungskräftetrainings erst thematisiert werden müssen.
Ganz nebenbei hinterlassen Patienten auch ihre digitalen Spuren auf den weltweit zugänglichen Medizinportalen und Apps. Big Data, gigantische Datenströme, deren Herkunft und Verwendung  kaum noch kontrollierbar sind, werden zukünftig darüber bestimmen, wo das Geld mit Gesundheitsdienstleistungen verdient wird. (Siehe hierzu auch Artikel zum DRG Kongress 2017). Auch Health-Apps, die Blutdruck, Puls oder Insulinpegel messen, bestimmen die Gesundheitsversorgung von morgen und bedienen den Bedarf nach digitaler Convenience: immer und an jedem Ort der Welt in Echtzeit die gewünschten Informationen zu erhalten.
Natürlich müssen alle Prozesse, die digitalisiert werden zuvor einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Und wie alle Changeprojekte müssen sie in die unternehmerische Gesamtstrategie passen. Legendär ist das Zitat von Thorsten Dirks, CEO der Telefónica Deutschland AG „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess”. Ganz so drastisch drückten es die Podiumsteilnehmer nicht aus. Sie waren sich aber darüber einig, dass die Digitalisierung ganz entscheidende Wettbewerbsvorteile bringen wird. Nicht nur, aber vor allem auch in Fragen der Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung.

Workshop: Mitarbeiter gewinnen – Mitarbeiter binden

Gemeinsam mit Lena Strobel und Viridiana Neumann, international Recruiting Team, hatte Media Consult Maier + Partner GmbH einen Workshop vorbereitet, in der folgende Fragestellungen bearbeitet wurden:

  • Aktuelle Herausforderungen des Gesundheits-Arbeitsmarktes
  • HR 4.0 und Recruiting 4.0, Agile Recruiting etc.
  • Mitarbeitergewinnung im internationalen Recruiting: Zahlen, Daten, Fakten und Success Stories
  • Mitarbeiterbindung durch das Konzept Magnetkrankenhaus
  • Mitarbeiterbindung in internationalen Ärzteteams (Studie kiia)

Eine Frage aus dem Publikum, die sich auf den Umgang mit Bewerberdaten bezog, soll hier beispielhaft Erwähnung finden: Nachdem wir unsere medi.career Web-App erläutert hatten, ein digitales Recruiting Tool das Social Recruiting, Reverse Recruiting und Mobile Recruiting miteinander verbindet, konnten wir auf die Frage, was mit den Bewerberdaten geschieht folgendes sagen: die Stellenanzeige des Kunden wird zwar über das digitale Tool medi.career Web App konfiguriert und auf Facebook und in anderen sozialen Medien beworben. Die Links auf die komplette Stellenanzeige auf der Website des Kunden (oder auf jeder beliebigen anderen Seite) bleiben jedoch erhalten und der Bewerberstrom landet nicht bei Facebook, sondern auf einem Server der in Deutschland steht. Die Bewerber/innen, die sich über die medi.career Web-App einloggen können dies nur tun, wenn sie zuvor bestätigen, die Datenschutzbestimmungen gelesen zu haben.

 

Links:

Präsentation Mitarbeiter gewinnen – Mitarbeiter binden
Abstract zur Studie “kiia” Integration interkultureller Ärzteteams
Blogbeitrag 16. DRG Kongresss: Digitalisierung (2017)

 

 




geschrieben von Ulrike Röse-Maier