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Nachlese Medical Recruiting Conference 2012

02.11.2012

Was haben BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagement und Employerbranding miteinander zu tun? Wie schaffen Klinik-Arbeitgeber den Spagat zwischen Kostendruck und guten Arbeitsbedingungen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Expertinnen und Experten auf der diesjährigen Medical Recruiting Conference in Berlin. Während die MRC im letzten Jahr ganz im Zeichen des Social Recruiting stand, ging es dieses Jahr darum, neue Lösungansätze für das Problem Fachkräftemangel und zunehmende Ökonomisierung zu diskutieren.

 

Den Auftakt machte Professor Dr. Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie Bielefeld mit der Keynote:

Stellschrauben einer gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur

Psychische Erkrankungen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Ursache könnten veränderte Arbeits- und Organisationsformen sein, die bei vielen Mitarbeitern Stress auslösen. Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky hat das Konzept der Salutogenese entwickelt. Hier ist der Gesundheitserhalt ein dynamischer Prozess, der immer wieder neu erarbeitet werden muss. Auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung wird dieses Konzept seit einigen Jahren berücksichtigt. Es geht es darum, nicht nur krankmachende Bedingungen zu bekämpfen, sondern aktiv gesundheitsfördernde Maßnahmen für die Mitarbeiter zu ergreifen. Um die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern, muss der Betrieb auf drei Ebenen aktiv werden: Auf der Mitarbeiterebene mit der Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz, bezüglich der Arbeitssituation und einer optimalen Gestaltung der Arbeitsumgebung/Arbeitsprozesse und auf der Organisationsebene mit der Förderung einer „gesunden“ Organisation“. Was eine „gesunde“ Unternehmens- oder Organisationskultur ist, lässt sich in diesem Zusammenhang nicht so einfach beantworten. Kultur ist eine variable Größe und jedes Unternehmen hat seine spezifische Kultur ausgebildet. Pauschal lässt sich nicht beurteilen, ob eine Unternehmenskultur gut oder schlecht ist. Es gibt jedoch Indikatoren, die auf eine „gesunde“ Unternehmenskultur schließen lassen:

  • geringe Fluktuation der Mitarbeitenden
  • geringes Auftreten von stressbedingten Erkrankungen wie Burnout
  • das Fehlen von Mobbing
  • positive Außenwahrnehmung/Kundenzufriedenheit
  • hohe Mitarbeiterzufriedenheit


Doch mit welchen Maßnahmen lässt sich eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur entwickeln? Folgende Stellschrauben lassen sich hier nach Prof. Dr. Hageman identifizieren:

Anleitung/Führung: mit klaren Anforderungen und Zielen, transparenten Indikatoren, die zur Entscheidungsfindung führen (Aufgabenverteilung, Beförderungen, Urlaubsregelung), ausreichende Mitwirkungsmöglichkeiten der Beschäftigten an Entscheidungsprozessen, Qualität der Führung hinsichtlich geeigneter Führungskonzepte, Gesprächskompetenz etc.

Arbeitsbewältigung: Vermeidung von Arbeitsunterbrechungen, von Multitasking-Anforderungen, von einer Fragmentierung der Arbeit und von Bewegungsmangel, Förderung des Selbst- und Zeitmanagements sowie die Passung von Qualifikationen und Berufsanforderungen

Arbeitsorganisation: Ausrichtung am praktisch Machbaren und nicht an losgelöst-dynamischen Zielen, welche sich am theoretisch Möglichen orientieren oder auf die Vermeidung „versandender“ Projektarbeit. Wichtig ist auch der Abbau von Bürokratie und Überregulation.

Arbeitsanforderungen: Diese müssen angemessen sein, es darf weder Langeweile und Unterforderung herrschen, noch sollten übertriebene Effizienzbestrebungen zusätzliche Arbeit, permanente Reorganisation, Unsicherheit und Angst schaffen oder eine übertriebene Kundenorientierung zu Lasten der Mitarbeiterbedürfnisse gehen.

Organisationsfaktoren: z.B. gute Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten, Investition in Arbeitsmittel, Ausrichtung an Werten, soziale Unterstützung, Teamzusammensetzung, Verträglichkeit von Arbeit und Privatleben

Fazit: Eine „gesunde“ Unternehmenskultur kann sich mit proaktiven Maßnahmen  der Organisationsentwicklung aufbauen lassen. Sie ist die Basis für ein Betriebliches Gesund­heits­man­age­ment. Dieses fördert die Effektivität und Effizienz von Arbeitsprozessen und letztlich das Image der Arbeit­ge­ber­marke.


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Best Practice Heiligenfeld Kliniken:
Werte als Basis gesunder Arbeit – Gesundheitsmanagement als Bestandteil der Arbeitgebermarke

Iris Vollert (Leiterin Marketing, Heiligenfeld-Kliniken Bad Kissingen) und Kathrin Schmitt (Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)

Die Heiligenfeld Kliniken haben eine unabhängige Wertekommission eingerichtet.  Die Unternehmensführung hat erkannt, dass die Werteorientierung einer Klinik immer wichtiger wird – sowohl für die Patientenakquise als auch für das Recruiting. In der Heiligenfelder Unternehmenskultur werden folgende Prinzipien reflektiert: Kooperation, Gesundheit, Motivation, Inspiration, Sinn und Spiritualität, Entwicklung und Lernen, Innovation, Führungskunst. Hierdurch erfahren Patienten und Mitarbeiter Qualitäten wie: Verbundenheit, gesunde und beseelte Arbeit, Achtsamkeit, Wachstum, Kreativität, Verantwortlichkeit. Die Heiligenfeld Kliniken haben auf Basis dieser Werteorientierung mit Kreativität und guten Ideen sehr viel bewirkt: Vom Bioessen aus der Region über Angebote für Fastenwochen oder Nordic-Walking, bis hin zu besonderen Arbeitszeitmodellen, Mitarbeiterdiscos, Rückenschule und Saunabenutzung wird viel für gesunde, zufriedene und somit leistungsfähige Mitarbeiter getan. Die gelebte Kultur des Dankes, der Achtsamkeit und Verantwortung schafft ein gutes Betriebsklima.


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Best Practice Ortenau Klinikum:
Ein Angebot für Pflegende und Ärzte: Achtsamkeit üben – gemeinsam meditieren, miteinander schweigen

Dieter W. Schleier (Leiter Zentrale Unternehmenskommunikation und -marketing, Ortenau Klinikum)

Auch in der Unternehmenskommunikations- und Marketingabteilung des Ortenau Klinikums hat man erkannt, dass einerseits ökonomisch gearbeitet, andererseits aber auch der Markenkern der Klinik erhalten werden muss. Was aber ist der Markenkern einer Klinik? Wenn man die professionelle medizinische Behandlung abzieht, sollte als Kern der Marke “Klinik” Wohlwollen und Liebe übrig bleiben. Ein Kranker benötigt in seiner Krisensituation ein zugewandtes Gegenüber, das ihm zu verstehen gibt: “Es ist mir ein Bedürfnis dir zu helfen.” Ebenso erscheint die ursprüngliche Bedeutung von Pflege als gelebte Liebe und Achtsamkeit. Diese beiden Qualitäten werden mit zunehmender Ökonomisierung jedoch immer weiter abgeschafft. Was und wie kann die Kommunikationsabteilung zur Pflege des Markenkerns beitragen? Sehr viel, so Dieter Schleier, und zwar vor allem durch interne Kommunikation. Vom Koch bis zum Oberarzt müssen alle für diesen Markenkern sensibilisiert werden. Die Unternehmenskommunikation kann so eine Atmosphäre schaffen, in der jedem klar ist: wir verbinden hier im Krankenhaus mit Freude das Richtige mit dem Guten. Als Instrumente stellt das Unternehmen seinen Mitarbeitern innerbetriebliche Weiterbildungen, die betriebliche Gesundheitsförderung sowie Mitarbeiterzeitschriften zur Verfügung. Wie aber hängen Markenkern  und Gesundheitsförderung zusammen? Im Rahmen des Gesundheitsförderungsprogramms bietet das Ortenau Klinikum einen Meditationskurs mit begleitender Vortragsreihe “Ethik und Achtsamkeit” an. Hierbei geht es nicht nur darum, das  emotionale Gesamtsystem der Mitarbeiter in Balance zu halten, also nach oder während der Arbeit schnell und gut in einen Zustand der Ruhe und Entspannung zu kommen, sondern auch um ein “Fitnesstraining für das affektive Gehirn”. Man kann in der Kontemplation nicht nur Kraft, Zuversicht und Freude gewinnen, sondern auch lernen, Empathie in Mitgefühl zu verwandeln. Damit sollen nicht überfreundliche Mitarbeiter produziert werden, sondern Menschen, die eine Kultur der Achtsamkeit gegenüber den Patienten als auch gegenüber sich selbst entwickeln. Wie wird der Meditationskurs im Ortenau Klinikum organisiert? Nach einem kurzen Vortrag werden zwei Mal 20 Minuten Schweigemeditationen geübt (sitzen in Stille), dazwischen 10 Minuten gehen in Stille. Geübt werden zwei mögliche Formen: Die Bewusstseinssammlung sowie die Bewusstseinsentleerung. Auch Inspiration von außen ist im Unternehmen willkommen: So wurden die bekannte Neurowissenschaftlerin und Psychologin, Frau Prof. Tania Singer, der Benediktinermönch Pater Anselm Grün und viele andere Persönlichkeiten eingeladen, um den Mitarbeitern zum Thema „Ethik und Achtsamkeit“ etwas mitzugeben.

Fazit: In einer Kultur der Achtsamkeit wird der Markenkern „Wohlwollen und Liebe“ wieder ganz neu entdeckt und bewusst gelebt. Mit allen Vorteilen für die Unternehmenskultur, das Befinden der Mitarbeiter und Patienten und letzten Endes die Arbeitgebermarke.
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Employer Branding als Fleißarbeit – das Erwachen nach dem Social Media Hype

Torsten Böhmer, Kommunikationsexperte mit langjähriger Erfahrung im Klinikbereich

Im Block II, Kommunikation der Arbeitgebermarke zeigte Torsten Böhmer die stumpfe Seite der Social-Media-Medaille. Seiner Meinung nach spielt die mangelnde Reichweite eine entscheidende Rolle und sollte auch von Social Media Begeisterten kritisch betrachtet werden. Am Beipiel eines großen Klinikonzerns zeigte er, dass die Facebook-Reichweite gemessen an der Anzahl der wirklichen Fans noch nicht einmal annähernd an die Visits der Homepage oder die Auflage des Tagesspiegels heranreiche, wenn es z.B. um die Ausschreibung von Stellenanzeigen geht. Böhmer betonte noch einmal die Wichtigkeit einer Social-Media-Strategie, die folgende 4 Elemente umfassen sollte: Koordination der Kanäle mit integrierter Kommunikation zw. Print- und Online-Anzeigen, der Website und dem Social Web, Abstimmung zwischen HR und Marketing, das Monitoring/Controllig sowie die imagekonforme Ansprache. Zu den schwierigsten Aufgaben zählt seiner Meinung nach wie vor, der Unternehmensführung den Wert von Kommunikation und Interaktion klar zu machen, auch und gerade, weil sich das oft nicht mit Kennzahlen belegen lässt. Seine Einschätzung wurde von einem Teil der Anwesenden durch deutliches Kopfnicken bestätigt.
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Web 2.0 – ein neues Kommunikationshandwerk für Kliniken

Björn Kasper, Leiter Marketing & Kommunikation der Kliniken Essen-Mitte

inspirierte die Teilnehmer im Anschluss an die eher kritischen Töne mit seinem Vortrag tatkräftig im Web 2.0. anzupacken und die Zielgruppen da abzuholen, wo sie einen Teil ihres Lebens verbringen und ihre sozialen Kontakte pflegen. Oberste Regel lautet daher auch die Maßnahme an die Zielgruppe anzupassen. Dann wurde es richtig praktisch, viele Fallbeispiele und Umsetzungsmöglichkeiten wurden vorgestellt sowie konkret aufgezeigt, wie man in Facebook werben kann. Das optimale Vorgehen für den Aufbau einer Social-Media-Präsenz gab Kaspar den Anwesenden abschließend an die Hand von den einzelnen Schritten in Phase 1, den Grundlagen, über die Test-Phase und Push-Phase, bis zu Phase 4, der Interaktionsphase, die schließlich in der Einbindung in die Marketingstrategie und Unternehmenskommunikation gipfelt.
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After Lunch Break: Nach den Eindrücken des Vormittages ging es in die gemeinsame Mittagspause. Im Anschluss daran überraschten die Veranstalter das Plenum mit dem Gedankenverführer Florian Ilgen. Der promovierte Chemiker, einer der begabtesten Mentalisten weltweit, begeisterte sein Publikum mit mentalen Experimenten: er verblüffte die Teilnehmer damit, ihre Gedanken und ihre Geburtsstunde zu erraten. Es war beeindruckend und der eine oder die andere kam dann auch ziemlich blass wieder von der Bühne herunter.
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Es folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gratwanderung zwischen guten Arbeitsbedingungen und zunehmender Ökonomisierung im Gesundheitswesen“. In der Einleitung wurde auf aktuelle Presseberichte verwiesen, in denen Ärzte anprangern, dass unter den derzeit herrschenden ökonomischen Zwängen eine menschenwürdige Medizin kaum noch praktiziert werden kann. (s. auch „Manifest für eine menschlichere Medizin“).

Auf der Medicaltopjobs Facebookseite, die vielleicht keiner wissenschaftlichen Prüfung standhält, aber mit ihren mehr als 11.000 Fans aus dem Gesundheitswesen ein Seismograph für die Stimmung, insbesondere unter Pflegekräften ist, gibt es regelmäßig Beschwerden über schlechte Arbeitsbedingungen, Burnout und unangemessene Bezahlung.

Gibt man die Begriffe Arbeitsbedingungen + Krankenhaus bei google ein, erscheint auf der ersten Seite ein Eintrag des Hartmannbundes, der bedauert, dass sich immer mehr junge Ärzte/innen gegen eine Beschäftigung in der kurativen Versorgung entscheiden oder sogar auswandern. Die Expertenrunde Andreas Kather, Bereichsleiter Personal des Verbundes der berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhäuser, Anne Engelshowe, Senior Referentin Marketing und Vertrieb bei Careflex, einem Hamburger Personaldienstleiter und Prof. Dr. Franz Hessel, Studiengangsleiter Executive Master of Healthcare an der SRH Hochschule Berlin.

 

Prof. Dr. Franz Hessel, Ulrike Roese-Maier, Andreas Kather, Anne Engelshowe

 

Hier einige Ergebnisse der Diskussion:

Die Einführung der Fallpauschalen hat nicht zwangsläufig zu schlechteren Arbeitsbedingungen geführt. Die DRG haben den Wettbewerb und damit auch den Druck auf die Unternehmen erhöht, aber auch zu mehr Transparenz geführt. Letzten Endes hängt es immer von der Unternehmensführung ab, ob ein System arbeitnehmerfreundlich umgesetzt wird.

Schwierig umzusetzen in Krankenhäusern sind Arbeitszeitmodelle, die Flexibilität, Eigenverantwortlichkeit und eine gute Work-Life Balance garantieren. Dies sind aber genau die Kriterien, nach denen junge Mediziner die Jobauswahl treffen. Negativ auf die Arbeitsmotivation wirkt sich auch der Pay Gap zwischen Ärzten und Pflegekräften aus, so dass Arbeitgeber vor vielen Herausforderungen stehen, die je nach Struktur, Führungsanspruch und Trägerschaft unterschiedlich bewältigt werden.

Zunehmend arbeiten die Häuser an der Unternehmenskultur. Employerbranding sowie der Aufbau und Werbung für eine Arbeitgebermarke werden für die Unternehmen im Wettbewerb um Talente immer wichtiger. Ärzte streben Arbeitsbedingungen an, die sich nur schwer mit den bestehenden Strukturen im Gesundheitswesen realisieren lassen? Mit anderen Worten: wie vertragen sich Achtsamkeit gegenüber den Bedürfnissen von Mitarbeitern mit Renditeorientierung – zu denen die Unternehmen ja auch verpflichtet sind? Dass sich PR-Arbeit für eine Produktmarke nicht 1:1 für die Bewerbung der Arbeitgebermarke, also das Employerbranding übernehmen lässt, bestätigte Anne Engelshowe, die zu diesem Thema auch eine Masterarbeit verfasst hat.
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Diese Diskussion wurde unter den Teilnehmern in der anschließenden Kaffeepause weiter vertieft, bevor Ina Ferber von der Monster Worldwide GmbH über die Chancen einer guten Karrierewebsite als Anlaufstelle für potentielle Kandidaten/innen berichtete.

Anne Kohlbrecher, Verkaufsleiterin Stellenmärkte von der ZEIT, ergänzte den Vortrag ihrer Vorrednerin mit dem Thema des kreativen Medieneinsatzes zur erfolgreichen Personalgewinnung. Sie zeigte den Teilnehmern, wie sie mit einem guten Marketing-Mix ihre Wunschkandidaten erreichen können und welche Strategien man dabei beachten müsse.

Nach einem spektakulären “Sundowner” Auftritt von Florian Ilgen – unter tatkräftiger Beteiligung der Anwesenden – endete die Konferenz mit einem gemütlichen Umtrunk und Get Together.




geschrieben von Ulrike Röse-Maier