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Datenschutz bei Facebook

13.12.2012

3 Fragen an Dr. Thilo Weichert

 

Social Media sind aus der Welt des Employerbranding und Recruiting nicht mehr wegzudenken. Tausende Unternehmen informieren interessierte Nachwuchskräfte über ihre Karrierrechancen. Immer mehr Gesundheitsdienstleister wagen sich in die Welt der sozialen Medien vor und entdecken die kommunikativen Möglichkeiten der Netzwerke. Erst vor ein paar Tagen hat SANA erfolgreich seinen Facebookauftritt gelauncht und es gibt bereits eine ganze Palette nachahmenswerter Best Practice Beispiele. Doch was ist mit dem Datenschutz? Immer wieder gibt es hier berunruhigende Meldungen, die vor allem das Netzwerk Facebook betreffen. Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) Social Media und Datenschutz wird zu diesem Thema auf dem Pflege Kongress am 25. und 26. Januar 2013 in Berlin einen Vortrag halten. Zum Kongress werden etwa 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Pflegemanagement und Pflegepolitik erwartet.

Datenschützer warnen bei der Nutzung von Social Media vor einem grundsätzlichen Widerspruch, gerade im Bereich Medizin und Pflege: „Die Beziehung zur Patientin, zum Patienten beruht auf einer besonderen Vertraulichkeit“, betont Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), im Vorfeld des Kongresses Pflege 2013. „Doch soziale Netzwerke sind nicht auf Vertraulichkeit angelegt, sondern auf Kommunikation und Offenlegung. Gesundheitseinrichtungen müssen deshalb speziellen datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen.“ Als Alternative empfiehlt Weichert Social-Media-Systeme, die die IT-Abteilung zusammen mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten selber gestalten kann, wie zum Beispiel Diaspora oder Friendica. Verantwortungsbewusst sei es auch, sich auf Web 1.0 zu beschränken. Also klassische Webseite und Newsletter, womöglich vertrauliche Kommunikation per E-Mail, Skype und Blog – das aber bitte verschlüsselt. So hat das ULD kürzlich die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein für ihren vorbildlichen E-Mail-Dienst ausgezeichnet. Eine solche Zertifizierung ist auch für Kliniken, Arztpraxen, Pflegedienste denkbar.

 

Im Vorfeld des Kongresses hat sich Herr Dr. Thilo Weichert freundlicherweise bereit erklärt, unsere Fragen zu beantworten:

UM: Sie kritisieren zu Recht die Datenschutzpraxis von Facebook. Viele Kliniken nutzen dieses soziale Netzwerk inzwischen aber für ihr Employerbranding und als Newschannel für Veranstaltungen oder die Ankündigung von Patientenvorträgen etc. Hier werden keine sensiblen Daten veröffentlicht wie z.B. in den “Baby-Galerien” vieler Kliniken, in denen der volle Name und das Foto eines Neugeborenen für alle zu sehen ist, sondern es handelt sich um unverfängliche Inhalte, mit denen möglichst viele Menschen erreicht werden sollen und die z.T. auch über google gefunden werden können. Was spricht dagegen, auf Facebook ein Stellenangebot zu veröffentlichen oder einen Vortrag über Diabetes anzukündigen?

TW: Wer Facebook, aber auch andere vergleichbare Angebote wie z. B. Google+, nutzt, hat keine Kontrolle und keine Verfügungsmacht über die eigenen Daten sowie über die Kommunikationsdaten der Nutzenden. Das ist generell ein Problem und grundsätzlich ein Datenschutzverstoß. Natürlich ist reine Öffentlichkeitsarbeit weniger sensibel als zweiseitige Kommunikation, doch kann sich dieser kaum ein Facebook-Fanpagebetreiber entziehen. Bei Anbietern aus dem Gesundheitsbereich ist dies doppelt heikel, da selbst indirekt, etwa aus dem Umstand, dass eine Seite besucht oder eine Veranstaltung kommentiert wird, möglicherweise auf sensible Daten zurückgeschlossen werden kann. Facebook nutzt diese sensiblen Daten in jedem Fall für Werbezwecke. Wer das offensichtlich datenschutzwidrige Facebook nutzt, stellt sich selbst kein gutes Zeugnis in Sachen Datenschutz und Vertraulichkeit aus – und das kann sich für den Gesundheitsdienstleister fatal auswirken. Mitarbeiter können übrigens auch nicht verpflichtet werden, an diesem kollektiven Datenschutzverstoß teilzunehmen.

 

UM: Sie nennen Diaspora und Friendica als soziale Netzwerke, die sicherer als Facebook sind. Diese Netzwerke sind aber zurzeit kaum bekannt bei den Zielgruppen, die Kliniken erreichen wollen, ja sogar erreichen müssen (Pflegekräfte, Ärzte). Bei gleichem Administrationaufwand macht es für Kliniken keinen Sinn, hier aktiv zu werden. Warum bieten diese beiden Netzwerke Ihrer Meinung nach trotzdem eine gute Alternative?

TW: Das praktische Problem von alternativen sozialen Netzwerken ist, dass sie – noch – ein Nischendasein fristen und erst ab einer bestimmten Masse für kommerzielle Nutzungen von Interesse sind. Der Vorteil von alternativen Angeboten ist, dass die Gestaltung von den Nutzenden bestimmt werden kann und dass die anfallenden Daten in der Verfügungsmacht des jeweiligen Anbieters oder gar des Nutzers verbleiben. Ich meine, es ist eine öffentliche Aufgabe – also von Kommune, Land oder Bund – Kommunikationsangebote jenseits der US-Anbieter zu fördern, die dann auch von Gesundheitsdienstleistern kostengünstig und guten Gewissens genutzt werden können.

 

UM: Der Umgang mit Facebook gehört zum Alltag der Generation y – den Arbeitskräften von morgen. Können sich Kliniken, die unter einem extrem hohen Fachkräftemangel leiden, es sich leisten, auf eine Ansprache dieser Zielgruppe in Facebook zu verzichten?

TW: Unbedingt ja: Es gibt keinen Nachweis, dass alternative Webangebote zu Facebook nicht genutzt und wirksam sind. Wegen der fehlenden Seriosität habe ich Zweifel, ob das Facebook-Angebot im Sinne einer nachhaltigen Beschäftigtenakquise sehr wirksam ist. Gerade bei der jungen Generation hat ein Setzen auf Facebook eine grauenhafte pädagogische Wirkung. Unabhängig davon: Der Erfolg kann nicht das Mittel heiligen. Das gilt auch für das Internet und den Datenschutz.

 

UM: Vielen Dank, Herr Dr. Weichert, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten!

 

 

 

Weitere Information

Der Kongress Pflege 2013, ausgerichtet von Springer Medizin und dem Pflegemagazin Heilberufe, ging aus dem „Pflege-Recht-Tag“ hervor – deshalb werden pflegerechtliche Themen traditionell großgeschrieben: Neben Datenschutzrecht stehen rechtliche Aspekte beim Mobbing, Haftungsrisiken bei der Thrombose-Prophylaxe, die Frage der Haftung bei einer neuen Aufgabenverteilung und Praxisanleitung, das neue Pflegeberufsgesetz, straf- und zivilrechtliche Aspekte der Fixierung sowie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht auf dem Programm. 

Das Online-Interview führte Ulrike Maier für Media Consult Maier + Partner GmbH Karlsruhe




geschrieben von Ulrike Röse-Maier